ERFAHRUNGSBERICHT

Perspektivwechsel: Die Tagung aus der Sicht einer Schülerin

‚Sollte man seine Ziele erreichen oder reicht es schon, wenn sie die Richtung angeben? ‘

Es ist dieser Satz, der mir letztendlich am stärksten in Erinnerung geblieben ist. Richtungsangebend, so habe ich die Tagung erlebt. Mal auf breiten, praxisorientierten Wegen, manchmal auch auf den schmalen, verschlungenen Pfaden der Kreativität. Ich wurde dazu ermutigt, mich mit mir selbst und mit anderen auseinanderzusetzen. Und das Alter, das ist mir dabei aufgefallen, spielte eine viel weniger große Rolle als der Tätigkeitsbereich, aus dem die Gesprächspartner kamen.

Es war eine Tagung zum Thema Berufsorientierung und die Zielgruppe bestand aus denen, die junge Menschen auf ihrer Suche nach dem Beruf unterstützen. Junge Menschen wie mich. Ich war, und so habe ich mich auch immer wieder wahrgenommen, eine Vertreterin aus der Zielgruppe der Zielgruppe. Was bedeutete das?

 

Dazu ist vielleicht vor allem die Frage wichtig, was Berufsorientierung für mich bedeutet.
Beruf, das ist eine Tätigkeit, die den Hauptteil unseres Lebens bestimmt. Eine Tätigkeit, die schon allein deshalb ausgeführt werden muss, um Geld zu verdienen. Berufe tragen unsere Wirtschaft und sind demnach maßgebend für unsere Gesellschaft, das lerne ich als Schülerin immer wieder. Für mich hat ein Beruf aber mit viel mehr zu tun, als dem rein wirtschaftlichen Faktor. Es ist mein Wunsch, den Hauptteil meiner Tätigkeiten mit etwas zu füllen, dass mir Sinn gibt. Das heißt, Beruf bedeutet für mich Leidenschaft. Mich mit einem Thema zu beschäftigen, das mir etwas bedeutet. Mich einer Aktivität zu widmen, die mich immer wieder überrascht.

Und dann ist da die Orientierung. Orientierung, darin steckt für mich ‚sich ausrichten‘. Ausrichten nach den Bedingungen und Möglichkeiten, die mich umgeben und ausrichten nach mir selbst. Orientierung hat viel mit Persönlichkeit zu tun. Die eigene Identität und die eigenen Fähigkeiten beeinflussen uns in unserem Handeln.
Und es sind diese zwei Dinge, die im Begriff Berufsorientierung miteinander kollidieren. Vielleicht ist es die Persönlichkeit, die den Beruf und die Orientierung verbindet. In der Reflexionsphase der Tagung meinte jemand, Berufsorientierung sei Persönlichkeitsorientierung. Für mich ist Berufsorientierung ein Prozess, der sich nach der Persönlichkeit ausrichtet. Neugierde auf Veränderung.

 

‚Wenn Du ein Schiff bauen willst, dann rufe nicht die Menschen zusammen, um Holz zu sammeln, Aufgaben zu verteilen und die Arbeit einzuteilen, sondern lehre sie die Sehnsucht nach dem großen, weiten Meer.‘ Diesen Satz, der von Antoine de Saint-Exupéry ist, hörte ich im Workshop zum Thema Glück. Er beschreibt das, was ich mir auf meinem Weg in die Berufswelt wünsche. Es sind weniger die Hard Skills, wie wir sie in der Schule zu bezeichnen lernen, die fachlichen Kompetenzen, die ich mit Berufsorientierung verbinde, als eher die Ermutigung, sich auszuprobieren und auf die Suche nach dem eigenen Platz in der Welt zu machen. Die ‚Sehnsucht nach dem großen, weiten Meer‘ zu wecken.

Aber wie tut man dies? Was ich in Orientierungsphasen am meisten brauche ist das, was während der Tagung auch immer wieder auftauchte: Sicherheit. Wer sich auf die Reise macht, in See sticht, der möchte hinter sich einen ruhigen Hafen wissen. Sonst wagt er den ersten Schritt vielleicht gar nicht. Und wenn ich dann unterwegs bin, wünsche ich mir, die Karte lesen zu lernen. Das heißt für mich, die richtigen Fragen gestellt zu bekommen und jemanden zu haben, der mir zuhört. Nicht erwarten zu müssen, dass ich schon alles weiß. Meine individuellen Vorstellungen der Zukunft akzeptiert zu wissen.

Prozess, Ausrichtung, Ermutigung und Sicherheit. Das sind Begriffe, die auch immer wieder in den Gesprächen mit den erwachsenen Teilnehmer_innen auftauchten. Ich habe die Teilnehmer_innen auf eine Art motiviert und engagiert wahrgenommen, die ich in der Schule häufig vermisse. Wenn man mich gefragt hätte, ob ich glaube, dass diese Menschen gerne mit Kindern und Jugendlichen arbeiten, hätte ich dies bejaht. Ich wünschte, ich würde solchen Menschen öfter begegnen.

 

Häufiger wurde ich gefragt, wie es mir als Jugendliche unter den Teilnehmer_innen ging. Und ob es nicht merkwürdig wäre, Erwachsene über ‚die Jugend‘ reden zu hören. Dabei glaube ich, dass es nur sehr selten um ‚die Jugend‘ ging. Schon im Impulsreferat ganz zu Anfang ging es darum, inwiefern sich Jugendliche voneinander unterscheiden und dass es vielleicht nur die Ökonomisierung ist, die sie verbindet. Ob es also merkwürdig war? Nein. Merkwürdig war für mich nur, dass ich mich selbst kaum als Jugendliche wahrgenommen habe. Ich habe meine Schülerrolle immer wieder vergessen. Das war aus meiner Sicht eine der Stärken dieser Tagung: Verschiedene Menschen so zusammenzubringen, dass sie neue Perspektiven wahrnehmen konnten. Für mich war das die Perspektive derer, die ich sonst in der Schule in Projekten zur Berufsorientierung immer nur kurz mir gegenüber sehe. Normalerweise klar getrennt.

Es ist für mich erstaunlich schwierig, die Erlebnisse der Tagung mit meinen sonstigen Erfahrungen im Bereich Berufsorientierung zu vergleichen, vor allem deshalb, weil sie sich so sehr voneinander unterscheiden. Die Tagung war für mich ein Blick in eine mögliche Zukunft und in eine andere Perspektive. Sie hat mich dazu ermutigt, noch einmal aus ganz anderen Richtungen in die Zukunft zu sehen. Und ich glaube, dass das nicht nur mir so ging.


Am Abend des ersten Tages gab es die Möglichkeit, mit anderen Teilnehmern auf kreative Weise in Kontakt zu kommen. Dabei entstand ein Gedicht im Newspaper Blackout, das für mich die Tagung zusammenfasst und auch die Antwort auf die Frage gibt, die ich zu Anfang ansprach: Es ist wichtig, Ziele zu haben und es ist die Richtung, die entscheidend ist.

 

Gehört zu werden wäre außerordentlich wichtig für unser Zusammenleben

Inklusion auf allen Ebenen

Liebe

Die Horizonte weiter öffnen

Es liegt auf der Hand, dass man Möglichkeiten, Talente und Kraft einbringt

Fuß fassen im besten Sinne

 

Mona Feller, Schülerin der Klasse 10, absolvierte zum Zeitpunkt der Tagung ihr Betriebspraktikum in der Geschäfststelle der LKJ.

 


Die Förderer